Landschaft im Netz: Die Netzmetapher

Bedeutung der Netzmetapher in der heutigen Zeit

Netze sind heute allgegenwärtig. Menschen bewegen sich in Verkehrsnetzen, schliessen sich an Stromnetze an und surfen im Internet. Wir leben in sozialen Netzwerken und sind vernetzt. Unser Gehirn gilt als neuronales Netz, wir denken vernetzt. Tiere, so lehren uns Biologie und Ökologie, sind durch vielfältige Nahrungsnetze untereinander verbunden. Wo etwa Verkehrsnetze diese bedrohen, werden ihre Lebensräume vernetzt und Vernetzungsachsen oder Vernetzungskorridore in die Landschaft gelegt. Die Rede von der Vernetzung in unterschiedlichsten Zusammenhängen ist heute so selbstverständlich geworden, dass das Wort Vernetzung seinen metaphorischen Charakter beinahe verloren hat.

Im Folgenden gehen wir der gedanken- und erkenntnisleitenden Wirkung dieses Sprachbildes in Bezug auf die Landschaft nach. Wir fragen: Welche Merkmale der Landschaft hebt die Netzmetapher hervor und welche anderen drängt sie in den Hintergrund oder verdeckt sie ganz? Wir gehen zunächst auf das Verkehrsnetz ein. Einer ersten vereinfachenden Gegenüberstellung der metaphorischen Hervorhebungen und Ausblendungen folgt das Fazit. Die theoretische Herleitung dieser vorangestellten Ergebnisse findet sich im abschliessenden Abschnitt Herleitung und Begründung. Hier nehmen wir zusätzlich Naturnetze wie das Nahrungsnetz und ökologische Vernetzungsmassnahmen, Vernetzungachsen etc., in den Blick.

Landschaft im Netz: die gedankenleitenden Wirkung der Netz-Metapher

Knoten und Maschen

Die Metapher hebt hervor:
Verkehrsnetze verbinden Orte

Verkehrsnetze verbinden Orte

Wenn Landschaft als Verkehrsnetz wahrgenommen wird, heben sich Orte (die Verkehrsknotenpunkte) und ihre Verbindungen (die Maschenlinien bzw. Verbindungsstrecken) vom Maschenzwischenraum ab.

Netzknoten werden zwangsläufig zu Durchgangspunkten. Knoten (z.B. Verkehrsknotenpunkte) gewinnen so an Bedeutung.

Wenn Landschaft als Verkehrsnetz wahrgenommen wird, dann erzeugt das Netz Anschlüsse, es integriert und schafft Zusammenhang. Wohn- und Geschäftslagen in Zentren bzw. Agglomerationen (Knoten) und an Verkehrslinien (entlang der Maschenlinien und mit Netzanschluss) gewinnen an Wert und Prestige. Wenn Landschaft ein Verkehrsnetz ist, geraten Orte im Umfeld der Verkehrsknotenpunkte in deren ‹Sog›, da von ihnen die grossen Verkehrsflüsse ausgehen.

Die Metapher blendet aus:
Verkehrsnetze erzeugen Maschenzwischenraum

Verkehrsnetze erzeugen Maschenzwischenraum

Wenn wir Landschaft als Verkehrsnetz wahrnehmen, vermindern wir unsere Wahrnehmung für die Maschenzwischenräume.

Die Mascheninhalte (in der Illustration blau) werden zu Durchgangsräumen herabgestuft, die durchquerte Landschaft zur Transitlandschaft. Für Pendlerverkehr und Warentransporte bedeutet das Dazwischen Zeitverlust. Insofern Zeit auch Geld ist, hat die Transitlandschaft einen Preis.

Das Netz schafft auch Ausschlüsse. Wer im Maschenzwischenraum lebt, ‹fällt durch die Maschen›, ist nicht Teil der Netzgemeinschaft. Leben im Maschenzwischenraum bedeutet Abkoppelung vom Verkehrsfluss. Orte im Zwischenraum verlieren an Eigenwert.

Bewegung im Netz

Die Metapher hebt hervor:
Wenn Landschaft ein Verkehrsnetz ist, dann ist Verkehr sprachlich ein Fluss

Einzelmetaphern wie Verkehrsfluss, Verkehrsstrom, Verkehrsstau, Verkehr umleiten, stockender Verkehr, Tropfenzählersystem am Gotthard bis hin zur Verkehrsinsel und zur Gotthardröhre legen nahe, dass Verkehr als ein Fluss bzw. ein Fliessgewässer verstanden wird (konzeptuelle Metapher).

Wenn Verkehr ein Fluss ist, rückt der Verkehr in die Nähe eines Naturvorgangs. Dass Verkehr fliesst, erscheint deshalb als selbstverständlich und positiv. Das Wort Verkehrsfluss enthält eine versteckte Aufforderung, dass Verkehr (im Netz) fliessen soll. Die Verkehrsnetz-Metapher befeuert hintergründig Mobilität.

Die Metapher blendet aus:
Verkehrsfluss ist kein Naturvorgang

Die Metapher des Verkehrsflusses blendet aus, dass der Verkehrsfluss nicht der Schwerkraft folgt wie ein natürlicher Fluss, sondern Treibstoff verbraucht. Das ‹Fliessen› im Verkehrsnetz hat daher stets einen Preis. Verstünden wir den Verkehr z.B. als brummenden Motor, würde uns sein Ressourcenverbrauch eher bewusst.

Wenn Verkehr ein Fluss ist, gehen die einzelnen Verkehrsteilnehmerinnen und -nehmer als ‹Tropfen› in ihm auf. Ihre Eigendynamik und Verantwortung werden ausgeblendet.

Verbindung und Trennung

Die Metapher hebt hervor:
Netzmaschen erscheinen als Linien und Strecken

Netzmaschen erscheinen als Linien und Strecken

Die suggestive Wortwahl Linie und Strecke aus der euklidischen Geometrie (vgl. Bahnlinie, Linienführung, Autobahnstrecke) bestärkt die Annahme, dass direkte Verbindungen zwischen Orten richtig sind.

Wenn Verkehr als Linienführung verstanden wird, wirken Verkehrswege als Beschleuniger (vgl. z.B. TGV). Als Linien bilden die Netzmaschen meist möglichst kurze Verbindungen zwischen Knotenpunkten in der Landschaft. Zeitgewinn bedeutet wirtschaftlichen Gewinn. Der Transport bzw. Ortswechsel soll daher möglichst wenig Zeit in Anspruch nehmen.

Die Metapher blendet aus:
Netzmaschen zerschneiden Landschaft

Netzmaschen zerschneiden Landschaft

Zerschneidung: Da ihre Funktion darin besteht, ‹Knoten›, d.h. Orte zu verbinden, zerschneiden technische Netzmaschen leicht natürliche Landschaftsformen und dabei auch Wanderrouten und Lebensräume von Tieren (Habitatsfragmentierung).

Schumacher und Walz stellen fest: «Von menschengeschaffenen, vorwiegend linienhaften Strukturen und Materialströmen gehen oft Barriere-, Emissions- oder Kollisionswirkungen oder ästhetische Beeinträchtigungen aus» Schumacher und Walz 2000, 135).

Die geometrischen Bezeichnungen von Strassen als Linien, Verbindungen, Strecken etc. perspektivieren sie als Teile des Verkehrsnetzes und verbergen ihre Realität als Barrieren, Lärm- und Lichtquellen oder Todesfallen für Wandertiere.

Zusammenfassung und Folgerung für die Praxis

Landschaft auf Maschen und Knoten reduziert

Im Lichte der Netzmetapher werden in der Landschaft die Orte (Knoten) und ihre Verbindungen (Maschenlinien) hervorgehoben, die Mascheninhalte dagegen in den Hintergrund gedrängt. Betrachten wir also Landschaft durch die «Netzbrille», so fällt die Landschaft ausserhalb der Verbindungslinien «durch die Maschen». Sie wird entwertet und als Provinz abgehängt. Werden diese Mascheninhalte z.B. von Schall, Schmutz und der Zerschneidungswirkung von Verkehrslinien betroffen, so geraten derartige Nebenwirkungen der Verkehrsnetze leicht aus dem Blick und müssen gedanklich ergänzt werden.

Fliessen und Strömen als Muss

Technische Netze (Verkehrs-, Elektrizitäts-, Entwässerungsnetze etc.) sollen Dinge, Waren und Menschen transportieren, Informationen und Elektrizität übertragen und Menschen verbinden. (Zur genauen Herleitung siehe weiter unten Abschnitt 1.2 Die Netzmetapher.) Ihre Implikationen sind Fliessen und Strömen, so wie Wasser und Strom fliessen. Da Fliessen als natürlicher Vorgang erscheint - ein Fluss fliesst, denn er folgt den Kräften der Gravitation - führen technische Netze leicht einen Mobilitätsbefehl mit sich. Gekoppelt mit ökonomischen Vorstellungen wird aus dem Bewegungsbefehl ein Beschleunigungsbefehl, denn Zeit sparen heisst Geld sparen. Auf Transversalen (Autobahnen, TGV-Linien) langsam zu fahren, muss daher als widersinnig erscheinen. Entsprechend gilt auf Autobahnen eine Mindestgeschwindigkeit.

Linien und Strecken beschleunigen den Verkehr und zerschneiden Landschaften

Verkehrswege als Linien und Strecken gesehen, legen nahe, kürzest mögliche (geometerische) Verbindungen in die Landschaft herzustellen. Dabei wird ausgeblendet, dass Verkehrswege Landschaften und damit Lebensräume von Menschen, Tieren und Pflanzen zerschneiden. Der Bezug zur Landschaft wird zurückgedrängt, natürliche Funktionen werden gestört oder gar verunmöglicht.

Landschaft und Orte: Netzraum und Behälterraum im Vergleich

Die Netzmetapher kann als Korrektiv zur Behältervorstellung des Raumes wirken (vgl. Raum/Behälterraum) Die Behältermetapher macht Orte zu beliebigen Punkten in einem homogenen Raum. Zur Illustration: In der Darstellung links sind Gewässer, Berge, Wälder und die Ortschaft in einem Raumbehälter gedacht, der gedanklich auch ohne sie besteht. Man stellt sie sich als «im» Raum befindlich vor. Der Netzraum rechts dagegen schafft Raum erst durch die Relation von Orten. Orte «erzeugen» den Raum und heben sich als privilegiert von den Zwischenräumen, den Mascheninhalten, ab. Orte, die in diesem Zwischenraum liegen, werden von beiden Metaphern herabgestuft: Sie fallen zum einen durch die Maschen des Netzraums. In der Vorstellung des Behälterraums werden sie zu beliebigen (geometrischen) Punkten «im» homogenen Raum reduziert. Für die Raumplanung und für ökologische Vernetzungsvorhaben bedeutet dies, dass Orten ausserhalb der Netzknoten besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden muss, da sie im Lichte beider Metaphern (Netz-Raum und Behälter-Raum) leicht übersehen werden.

Landschaft im Behälterraum: homogen
Landschaft im Behälterraum: homogen
Landschaft im Netz: Knoten und Verbindungen
Landschaft im Netz: Knoten und Verbindungen

Herleitung und Begründung: Landschaft im Netz

Technische Netze

Die Strecke schnitt rechts und links gradlinig in den unabsehbaren grünen Forst hinein; zu ihren beiden Seiten stauten die Nadelmassen gleichsam zurück, zwischen sich eine Gasse frei lassend, die der rötlich-braune, kiesbestreute Bahndamm ausfüllte. Die schwarzen, parallel-laufenden Geleise darauf glichen in ihrer Gesamtheit einer ungeheuren eisernen Netzmasche, deren schmale Strähne sich im äussersten Süden und Norden in einem Punkte des Horizontes zusammenzogen.

(Gerhart Hauptmann, Bahnwärter Thiel, 1888, 19)

Im Jahr 1832 nahm der Genfer General und Festungsbauer Guillaume-Henri Dufour die Leitung eines epochalen Projekts in Angriff: Das gesamte Gebiet der Schweiz sollte mit einem graphischen Netz von Vermessungspunkten überzogen werden, das es möglich machte, die Natur mit wissenschaftlicher Genaugkeit zu erfassen. Aus diesem «Netzplan», der Triangulation primordiale, entstand später das umfassende Werk der Dufour-Karten, in dessen Maschen das Territorium des 1848 gegründeten Bundesstaats auch kartografisch erfasst werden konnte. [1] Die Triangulation ist ein Anwendungsbereich der Trigonometrie, welcher die Winkelfunktionen mathematisch erfasst. Kennt man von den Dreieckselementen einen Eckpunkt und zwei zweitere Elemente (einen Winkel und eine Seitenlänge, zwei Seitenlängen oder einen Winkel und einen weiteren Eckpunkt), ist das Dreick bestimmt und jeder weitere Punkt auf der betreffenden Fläche kann in seinem Bezug zum Ganzen bestimmt werden. Mit Dufours Vermessungs-Netz war aber auch ein Modell geschaffen, das mit bestechender Durchschlagskraft den Bau einer Reihe technischer Neuerungen antrieb, die alle der Netzmetapher folgten: das Eisenbahnnetz, das Telegrafennetz, ein vernetztes Fluss- und Seensystem, das Telefonnetz, das Elektrizitäts- und Gasnetz, das Strassennetz.

Über Terrainaufnahme, Höhenbestimmung und massstäbliche Reproduktion gelang es Dufour, einen kartographischen Netzplan und damit eine wissenschaftlich beglaubigte, d.h. geometrisch und masstäblich korrekte Abbildung der schweizerischen Landschaft herzustellen. Über die Bestimmung zentraler Orte und gültiger Verbindungslinien entstand ein graphisches Orientierungsraster, nach dem man die Räume verwalten und technisch beherrschen konnte. Im Strassenbau z.B. konnten nun unregelmässig verlaufende Karren- und Naturwege am Leitfaden der Netzmaschen begradigt, der Verkehr auf geradlinigen Verbindungsstrassen kanalisiert werden. Die verschiedenen technischen Netze standen von Anfang an in einem symbiotischen Verhältnis zueinander, denn ihre Entwicklung gehorchte einer inneren Folgerichtigkeit. [2] Das symbiotische Zusammenwirken unterschiedlicher technischer Netze setzt sich bis in die heutigen Tage fort. So erklärt z.B. Swiss Grid auf ihrer Homepage die geplante Optmierung des Stromverbrauchs durch Smart Grid wie folgt. «Dabei geht das Stromnetz eine Symbiose mit modernen Informations- und Kommunikationstechnologien ein und wird so intelligenter und flexibler steuerbar.» swissgrid.ch (16.09.14) So wurden Telegraphenlinien entlang der Trassen der Bahnlinien verlegt, denn telegrafische Übermittlung von Angeboten und Bestellungen von Gütern und ihre Lieferung gingen Hand in Hand. Zwischen den Städten kamen nicht nur Informationsströme, sondern auch Ströme von Handelswaren in Gang. Folgerichtig legten sich nach dem Bau des Linthkanals Telegraphen- und Bahnlinien, später auch die Elektrizitätslinien an den begradigten Kanal. Das Netzmuster legte nahe, Wasser-, Verkehrs- und elektrischen Strom entlang direkten Linien zu führen.

Abbildung 1 : Dufours Triangulation primodiale: das Ur-Netz der technischen Vernetzung der Schweizer Landschaft 1837
Abbildung 1 : Dufours Triangulation primodiale: das Ur-Netz der technischen Vernetzung der Schweizer Landschaft 1837

Der Bau technischer Netze veränderte die räumlich-zeitlichen Verhältnisse in der Schweiz grundlegend. Die Netze wirkten als Distanzüberwinder. Orte rückten näher zueinander, andere «fielen durch die Maschen» und wurden ins Abseits gedrängt. Man schuf den Begriff der Gewässerkorrektion, womit zum Ausdruck kam, dass ein naturbelassenes Gewässer mit gewundenem Verlauf oder mit Riedgebieten und zweitweilig übeschwemmten Partien als fehlerhaft gesehen wurde. Solche Gewüsser waren deshalb zu «korrigieren». Mit der 1. Juragewässerkorrektion und den Gewässerkorrektionen in der Linth- und Rhoneebene wurde das Netzmodell der Natur gleichsam auf den Leib geschrieben. Sperren, Dämme und Schwellen korrigierten Flussläufe und fügten sie ins Korsett begradigter Betten, ganze Flüsse wurden umgeleitet, Sümpfe trockengelegt, der Wasserstand der Seen am Abfluss mit Wehren reguliert. Zu den oberirdisch geschaffenen Wassernetzen gesellten sich bald auch unteridische. Über Drainagenetze, unteridische Druckstollen bis zu fein verästelten Röhrensystemen: «Überall wurden Ströme kanalisiert, in zunehmend komplexen Netzwerken verwaltet und reguliert» (Gugerli 1996, 145). Mit Recht kann man sagen, dass der Aufbau von Netzwerken ein Hauptmerkmal der technischen Praxis in der Schweiz des 19. Jahrhunderts ausmacht (Gugerli 1996, 146). Wie konnte diese Faszination durch Netze entstehen?

Die Frage führt uns zunächst zurück zur grundsätzlichen Frage, ob wir uns nicht den Raum selbst als Netz vorstellen müssten. Isaac Newton, der Physiker des 18. Jahrhunderts, hat diese Frage wie folgt beantwortet: Er postulierte, Raum sei, aufbauend auf die euklidische Geometrie kein Netz, sondern eine Art Behälter, den man sich als leer und homogen vorstellen müsse (Kapitel Behälterraum). Zu einem ganz anderen Ergebnis gelangte sein Zeitgenosse Gottfried Wilhelm Leibniz, der um 1750 das Modell des relationalen Raums entwirft. Raum ist für Leibniz «Inbegriff aller erfahrbaren relationalen Lagebeziehungen des gleichzeitigen Nebeneinanders möglicher materieller Stellen" (Leibniz 1966, 134). Sind materielle Stellen bei Newton beliebige Punkte in einem vorgegebenen leeren Behälterraum, so bilden sie bei Leibniz die Voraussetzung von Raum. Raum gibt es für Leibniz nur, weil es Stellen gibt; Raum entsteht durch ihr Miteinander: Spatio est ordo coexistendi. Dufours Vermessungsraum aus dem Jahr 1837 (Abbildung 1) kommt dieser Leibniz›schen Raumvorstellung sehr nahe. Seine Triangulation primordiale baut sich über Netzknoten auf, die sich aus der physischen Landschaft als Vermessungspunkte abheben. Zu ihnen gehören etwa der Chasseral, der Napf, der Wiesenberg, die Rigi oder die Lägern, manche von ihnen waren frühere Hochwachten. Ihr Miteinander erst erzeugt den vermessenen Raum. Dufour legt nicht ein abstraktes Koordinatennetz mit identischen Maschengrössen über die Schweiz, wie wir dies etwa vom starren Koordinatenraster des American Grid her kennen. [3] Dabei wird die Landschaft einheitlich in quadratische Parzellen gegliedert, an deren Grenzen z.B. Strassen und Kanäle ausgerichtet sind. Dufours Netzraum ist heterogen. Er ist wohl vermessbar wie der schachbrettartige Koordinatenraum, doch die Vermessungen nehmen ihren Ausgang von Knoten und Maschen, die in der physischen Landschaft verortet sind, von Punkten, die privilegiert über anderen stehen. Seine Kernelemente sind damit Orte und ihre Verbindungen. Orte sind nicht beliebige Punkte in einem homogenen Behälterraum. Orte erst erzeugen den Netzraum. Sie heben sich von einem Dazwischen ab, das ein Nicht-Netz ausmacht (Böhme 2004, 30).

Die Netzmetapher

Die Vielgestalt der technischen Netze erstaunt. Fast könnte man meinen, im zweiten Teil des 19. Jahrhunderts sei in der Schweiz ein Netzfieber ausgebrochen, das gleichzeitig eine ganze technische Kultur ergreift. Die zahlreichen technischen Netze unterscheiden sich und sind dennoch durch Ähnlichkeiten verbunden. Man kann ihre Ausbreitung daher als metaphorische Übertragung («metaphoric exchange» [4] James Bono hat gezeigt, wie Metaphern sich über die Grenzen von Fachwissenschaften hinaus ausbreiten und diese so gedanklich verbinden können (Bono 1995, 123-125). ) beschreiben, als eine spartenübergreifende Netz-Fortpflanzung. Diese wirkt bis heute fort. Denken wir nur an die Computernetzwerke, das Internet, die neuronalen oder sozialen Netze, Strassennetze, welche uns ebenso faszinieren, wie sie unser Denken bestimmen. [5] Seit dem viel beachteten Buch von Frederic Vester (1978) gilt vernetztes Denken als erstrebenswert, und es erstaunt wenig, dass wir auch in sozialen Netzwerke leben. 1996 schlug der Systemtheoretiker Fritjof Capra vor, die gesamte lebendige Welt als Lebensnetz zu denken (Capra 1996). Auch in der Landschaft und der Tierwelt hat man seither Netze ausgemacht. Tiere, so lehren uns Biologie und Ökologie, sind durch vielfältige Nahrungsnetze und Wanderrouten untereinander und mit der Landschaft verbunden. Der Philosoph Alexander Friedrich bezeichnet Vernetzung als «Losung unserer Zeit» (Friedrich 2015). Hartmut Böhme sieht im Netz eine «kulturelle Leitmetapher der modernen Gesellschaft und ihren Wissenschaften» (Böhme 2004, 10-11)

Wollen wir die Bedeutung der Netzmetapher für das Verständnis von Landschaft verstehen, lohnt es sich, der ursprünglichen Bedeutung von Netz nachzugehen. Das deutsche Wort Netz bedeutet ursprünglich ‹Geknüpftes› und leitet sich von lat. nassa ‹Reuse› (= Fischfalle) her. Grundmerkmale aller Netze sind ihre Maschen und Knoten. Netze können die Bedeutung des Fangens (Fischernetz, Spinnennetz, Steinschlagnetze), Schützens und Fassens (Einkaufsnetz, Haarnetz, Mückennetz, Gepäcknetz), aber auch Verbindens und Transportierens (von Personen, Waren und Informationen im Trag-, Verkehrs-, oder Telefonnetz) tragen. Auch Kombinationen dieser Funktionen sind möglich, so wird etwa in einem Drainagenetz Wasser gefasst und abtransportiert. Zugleich gewährt es Schutz vor Überschwemmungen.

Eine Erklärung für die Verbreitung der Netzmetapher liegt zweifellos in ihrer vertrauensstiftenden Modellfunktion. In der Zeit technischer Neuerung erlauben metaphorische Übertragungen, Neues und Unvertrautes in Begriffen des Vertrauten verständlich zu machen. Das Netzbild gehört zu diesem Vertrauten. Netze sind den Menschen aus dem Alltag bekannt und weitgehend mit positiven Bedeutungen (Konnotationen) verbunden. Der Historiker David Gugerli hat aufgezeigt, wie es der populärwissenschaftlichen Vermittlung (etwa in öffentlichen Vorträgen an Volkshochschulen) im frühen 20. Jahrhundert gelang, Elektrizität als das Fliessen von Elektronen im elektrischen Leiter verständlich zu machen (Gugerli 1996, 172ff). Das unsichtbare und beängstigende Phänomen der Elektrizität wurde so als Strom bekannt gemacht, in einem Begriff, der vom Wasser her bereits vertraut war. Dass wir heute wie selbstverständlich mit Stromnetzen leben, haben wir der metaphorischen Übertragung des Strombegriffs auf die Elektrizität zu verdanken.

Mit der technischen Umsetzung der verschiedenen Netze kam ab ca. 1850 ein spartenübergreifendes Fliessen und Strömen in Gang: Die elektrischen Ströme flossen in ihren Leitungen, die Abwässer in ihren Röhren, die Warenströme auf den Bahnlinien und zunehmend auf Autostrassen, die Informationsströme in den Telegraphen- und Telefonlinien. Durch die Verkehrswege der Grosstädte wälzten sich Menschenströme, zwischen den Metropolen wurden Geldströme zum Fliessen gebracht. In metaphorischen Übertragungen werden bekanntlich auch Implikationen eines übertragenen Wortes aktiv. Netze bringen deshalb nicht nur Ströme zum Fliessen, sie versprechen auch Sicherheit und verbinden. Durch die Verbesserung der Flussnetze wurden Sümpfe entwässert und Wasserströme reguliert. Verkehrs-, Telegraphen- und Telefonnetze bis hin zum Internet stellen Verbindungen her. Netze führen zwei gegenläufige Implikationen mit sich: Sie befördern einerseits Dynamik und Mobilität (Ströme), andererseits vermitteln sie Sicherheit und Zusammenhang.

Überblicken wir die wichtigsten technischen Neuerungen des ausgehenden 19. Jahrhunderts, so können wir die folgenden Netzfunktionen und -vorgänge unterscheiden:

FlüsseEisenbahnlinienStrassenTelegrafenElektrizitätTelefon
MetapherFlussnetzEisenbahnnetzStrassennetzTelegraphennetzStromnetzTelefonnetz
Vorgang: fliessen, strömenWasser fliesstVerkehr fliesstVerkehr fliesstInformationen fliessenStrom fliesstKommunikationen fliessen
Funktion: verbinden, übertragen, transportieren, sichernWasserabflüsse kontrollierenOrte verbinden, Waren, Personen transportierenOrte verbinden, Waren und Personen transportierenOrte und Menschen verbinden, Informationen übertragenEnergieübertragungOrte und Menschen verbinden
Tabelle 1: Ähnlichkeiten, die unterschiedliche Netze verbinden

Wir halten fest: Das Netzbild setzt Vorstellungen des Fliessens, Strömens, Verbindens, Übertragens, Transportierens und Sicherns in einen assoziativen Zusammenhang, so dass, je nach Kontext, die eine oder andere Implikation stärker zum Ausdruck gelangt. Ihr bewegliches Zusammenspiel macht es möglich, dass gesellschaftliches Handeln (das Bauen, Betreiben und Benützen von Netzwerken) und das Sprechen und Denken in Netzbildern einander gegenseitig stützen und so eine breit akzeptierte Plausibilität der Netzmetapher erzeugen. Dass sich die Natur in Netzen beherrschen lässt, wird auf diese Weise ebenso plausibel wie der Umstand, dass in Netzen Ströme aus Materie und Energie fliessen. [6] Gugerli hat das Miteinander von Sprache und Praxis in Anlehnung an Bourdieu als soziotechnischen Habitus beschrieben, der als technische Vernetzungsfantasie und Vernetzungshandeln ein ganzes Zeitalter prägt (Gugerli 1996, 134).

Netzlandschaft: Triangulation gibt Impuls zur Vernetzung durch Verkehrswege

Mit der Entwicklung technischer Netze vom Fischernetz bis zum Internet verschiebt sich die Gewichtung einzelner Netzfunktionen. Trugen Netze bis zu Beginn der Industrialisierung hauptsächlich die Bedeutung des Schützens, Bergens und Fangens, so treten in modernen Netzen Funktionen wie Verbinden (Kommunikation) und Transportieren (von Personen, Waren und Zeichen) stärker hervor. Alexander Friedrich hat darauf hingewiesen, dass Netze vor dem 19. Jahrhundert weder kommuniziert noch interagiert haben. Heute tun sie fast ausschliesslich dies und tragen – etwa im Internet – zusätzlich die Funktion der Selbst-Organisation (Friedrich 2010, 4). Das Internet verbindet nicht nur, es entwickelt eine eigene Dynamik, organisiert sich in gewisser Weise selbst. Dies führt uns zu jenen Netzen, die neben den technischen Netzen (z.B. den Verkehrsnetzen) für die Landschaft und natürliche Arten heute besonders bedeutsam sind: die Naturnetze.

Naturnetze

Im Laufe des 20. Jahrhunderts gewann die Vorstellung an Bedeutung, dass die Natur selbst ein Netz sei bzw. als Netz beschrieben werden könne. Diese Annahme wird vor allem durch die Systemtheorie befördert, die in den späten 1920er-Jahren aus der Elektrotechnik entstand. [7] Gemeint sind die Systemtheorien lebender Systeme des Biologen Ludwig von Bertallanfy, der den Begriff der «Fliessgleichgewichte» prägte, ebenso wie jene der Kybernetiker Wiener, von Neumann, Shannon und McCulloch, die Vorstellungen der Selbststeuerung auf technische Systeme übertrugen (vgl. Capra 1996, 29-92). Die Systemtheorie basiert auf der Beschreibung elektrischer Netzwerke, wie sie heute etwa in einem Toaster, einer Waschmaschine oder einem Taschenrechner wirksam sind. Vereinfacht gesagt haben elektrische Netzwerke gemeinsam, dass sie prozesshaft und selbstregulierend funktionieren. Ist der Toastvorgang beendet, stellt der Toaster, sich selbst steuernd, ab. Trotz solcher Eigendynamik dienen technische Netzwerke letztlich menschlichen Zwecken.

Wenn etwa die Systemtheorie postuliert, die Natur sei als Ganze ein Netz oder bestehe aus unterschiedlichen Netzwerken (z.B Ökosystemen), so werden solchen Netzvorstellungen unvermeidlich Funktionen unterstellt (vgl. Capra 1996, 51ff). Zweifellos erschliessen Funktionen natürliche Zusammenhänge, sie reduzieren diese aber zugleich in ihrer Komplexität. Ein Beispiel: Mit der Metapher des Nahrungsnetzes - einer Erweiterung der Nahrungskette - wird zweifellos eine wichtige Vernetzungsfunktion in der Natur erkannt: Die Lebewesen dienen einander in komplexer Weise als Nahrung. In einem Biologie-Lehrbuch des späten 20. Jahrhunderts finden wir folgende Ausführungen zum Nahrungsnetz:

«Wie jedes Lebewesen auf der Erde steht auch ein Wasserfrosch mit seiner Umwelt in vielfältigen Beziehungen. So ernährt er sich von Insekten, Würmern und anderen Tieren. Andererseits dienen Frösche selber als Nahrung für Storch, Ringelnatter und Raubfische. So ergibt sich ein Netzwerk von Nahrungsbeziehungen.»

Miram u. Scharf 1997, 114

«Viele Arten sind im Sinne des Räuber-Beute-Verhältnisses zu unterschiedlichen Nahrungsketten und diese wiederum untereinander zu Nahrungsnetzen verknüpft. Die Stabilität der Nahrungsnetze hängt von der Anzahl der beteiligten Arten ab. Je dichter das Netz, umso eher kann es Störungen verkraften.»

Miram u. Scharf 1997, 140

Die Netzmetapher reduziert das Verhältnis zwischen Tier und Umwelt auf Ernährungsverhältnisse (auf das Fressen und Gefressen-Werden) und schliesst damit andere mögliche Formen der Teilhabe von Tier und Umwelt aus. Denkbar wäre etwa, eine ‹Vernetzung› zwischen Individuum und Tier-Gemeinschaft festzuhalten, z. B. bei Bienen, Ameisen oder Fischen. Auch Symbiosen unter unterschiedlichen Arten bringen Netze zum Ausdruck. Bei der Beurteilung von Naturnetzen fällt also auf, dass diese in ihrer Funktionsbestimmung selektiv wirken. Sie heben bestimmte Verbindungen hervor und lassen andere unbeachtet. Sie unterstellen inhaltlich offenen Netzmaschen ganz bestimmte Funktionen. Damit erschliessen sie einerseits eine natürliche Realität, vereinfachen und verzerren diese aber zugleich (Janich und Weingarten 1999, 95). So werden Tiere in Nahrungsnetzen auf ihre materielle Existenz, ihre Ernährungs-Biomasse, reduziert.

Die Netzmetapher suggeriert weiter, dass ein dichtes Nahrungsnetz stabiler und damit widerstandsfähiger als ein weitmaschiges sei. Ausgeblendet wird in diesem Bild, dass in dichten Netzen auch Ansteckungskrankheiten leichter um sich greifen können, die Maschendichte also auch lebensbehindernd wirken kann.

Auch in der Landschaftsökologie setzt sich ein Netzverständnis der Natur durch. So ist heute etwa von Landschaftsvernetzung, Vernetzungsachsen, Vernetzungskorridoren, der Vernetzung im Kulturland, Vernetzung ökologischer Ausgleichsflächen, Vernetzungselementen (Righetti 2008) oder von Vernetzen von Lebensräumen, Gebieten mit Vernetzungsfunktion oder Vernetzungsprojekten (ARP TG, 2006) die Rede. Mit Vernetzung ist hier eine menschliche Massnahme gemeint, die ein Netz schaffen soll, wo ein solches fehlt oder verloren gegangen ist. Es soll also ein netzartiger Naturzustand (wieder)hergestellt werden. Was ist mit Vernetzung in diesen Fällen genau gemeint?

Zahlreiche Tierarten nutzen im Laufe ihres Lebens- bzw. eines Jahreszyklus› Wälder, Wiesen und offenes Gelände. Ihre Habitate sind ungleichmässig in der Landschaft verteilt und bilden diskontinuierliche, heterogene Lebensräume mit offenen Rändern (Righetti 2008, 15). Menschliche Eingriffe, wie sie durch Landwirtschaft oder durch Siedlungs- und Strassenbau geschehen, beeinträchtigen nicht selten die Lebensräume verschiedener Wildtierarten wie Reh, Rothirsch, Wildschwein, Gämse, Luchs, Hase, aber auch Vogelarten. Landschaften werden durch die industrielle Landwirtschaft einerseits homogenisiert (ausgeräumte Landschaften) und/oder durch das dichter werdende Netz der Verkehrslinien zerschnitten und damit fragmentiert (vgl. Schwick et al. 2010, Bertiller et al. 2007, GAIA 2/2005, Jäger 1999). Die Landschaftsökologie reagiert auf diesen Notstand mit dem Anspruch, isolierte Lebensräume zu vernetzen, um so einen Lebensraumverbund zu schaffen (Righetti 2008, 17).

Seit 1993 werden in der Schweiz Direktzahlungen an Landwirte ausgerichtet, die Landschaften extensiv nutzen und die Vernetzung unter ihnen fördern (Ökoqualitätsverordnung). Die Förderung betrifft extensiv genutzte Wiesen, Streuflächen, Hecken, Feld- und Ufergehölze sowie Hochstamm- und Feldobstbäume. 2004 wurde ein nationales ökologisches Netzwerk (REN) fertiggestellt. Dieses will der «Habitatsfragmentierung» und «Verinselung der Lebensräume entgegenwirken» (Righetti 2004, 16), indem es Wildtierpassagen fördert, die Strassen queren. Auch sollen ökologische Ausgleichsflächen, Vernetzungsachsen- und -korridore, Wildtierkorridore und begrünte Randstreifen auf Brücken angelegt und finanziell gefördert werden. Bachdurchlässe sollen terrestrischen, amphibischen und aquatischen Kleintieren die Querung von Strassen und Bahnlinien ermöglichen (Righetti 2008, 19-20, Berthoud et al 2004). Das Anlegen von Vernetzungsachsen im REN will neben der Ernährung von Kleintieren auch die Vernetzung der Populationen fördern, «das Sichern von Tier- und Pflanzenbeständen». Ihr Zweck ist also auch der genetische Austausch unter den Populationen. [8] bafu.admin.ch

Ökologische Vernetzung erscheint in diesem Zusammenhang als technische Reparaturmassnahme (vgl. Righetti 2008, 19). Es soll ein Netz wiederhergestellt werden, das die Zerschneidungswirkung technischer Netze in der Landschaft kompensiert. Kulturgeschichtlich trägt die heutige Förderung von Vernetzung in der Landschaftsökologie also die Funktion eines Korrektivs. Sie versucht Zusammenhang herzustellen in einer Landschaft, die durch ihre Geometrisierung ( Flächen, Behälterraum etc.) und durch die Anlage technischer Netze (Bahn- und Strassennetze) fragmentiert und zerschnitten worden ist.

Solche Vernetzungsmassnahmen sind im Einzelnen sehr wertvoll. Bei ihrer Verwirklichung bleibt jedoch eines zu bedenken: Mit der Vernetzungsmetapher wird dem ökologischen Handeln leicht ein normatives Ideal unterstellt, das sich eher an der Alltagsvorstellung eines Netzes orientiert als an der Komplexität der Natur. So liegt einem Alltagsnetz, etwa einem Fischer-, oder Einkaufsnetz, die Vorstellung zugrunde, dass ein Zerreissen von Verknüpfungen das Netz funktionsunfähig machen kann. Ökologische Netze sind aber weitaus plastischer als von Menschen gemachte. Wenn in einem ökologischen Netz eine Masche reisst oder zerschnitten wird, so kann sich das natürliche Netz oft selbst reparieren bzw. neu organisieren (vgl. Gorke 1999, 69), ein Umstand, der für technische Netze nicht gilt. Natürliche Netze tragen also Merkmale von Leben.

Das Beispiel der Nahrungsnetze zeigt, dass sie sich auch in ihrer Form von Alltagsnetzen unterscheiden. Fischer- oder Tennisnetze sind zweidimensional, das heisst, dass von jedem Knotenpunkt gleich viele Maschenfäden ausgehen. Allesfresser im Nahrungsnetz ‹stören› die Struktur dieser Netzvorstellung, indem sie eine Vielzahl von Verbindungen eingehen.

Ein ähnliches Problem stellt sich bei Fernkontakten. In der Natur sind auch Kontakte zwischen weit auseinanderliegenden Orten und Organismen möglich. Am deutlichsten erkennbar ist dies bei Zugvögeln. Fernkontakte überspringen Netzmaschen und sind charakteristisch für die Lebensweise vieler Insekten und Vögel (vgl. Abb 3). Ihre Ansprüche an die Landschaft lassen sich besser mit der Mosaik-Metapher fassen. So ist z.B. für den Grünspecht das »Wiesen-Gehölz-Mosaik ideal» (ARP TG 2006, 23)

Die Beispiele lehren uns, dass in der Natur erkannte ‹Netze› oft nicht der Vorstellung eines Alltagsnetzes entsprechen. Die Rede vom zerstörten Netz und daran anschliessende Handlungen können unter Umständen ebenso metapherngeleitet sein wie jene vom gestörten Gleichgewicht und der erschütterten Stabilität eines Ökosystems (vgl. Gorke 1999, 71ff). Die Beispiele rufen uns in Erinnerung, dass wir mit unseren Metaphern nicht direkt ‹bei den Dingen› sind, sondern an Vergleichsbilder, d.h. Modelle, gebunden bleiben, deren Implikationen zu bedenken es lohnt.

Literaturverzeichnis

Amt für Raumplanung, Frauenfeld (2006). Thurgau – Nur grün? Landschaft verstehen und entwickeln. Kürzel: ARP TG (2006).

Berthoud, G., R. P. Lebeau, R.P., A. Righetti (2004). Nationales ökologisches Netzwerk REN, Schlussbericht. Schriftenreihe Umwelt Nr. 373. Bern, BAFU.

Bertiller, R., Ch. Schick, J. Jaeger (2007). Landschaftszerschneidung Schweiz. Zerschneidungsanalyse 1885-2002 und Folgerungen für Verkehrs- und Raumplanung. Bundesamt für Verkehr.

Böhme, Hartmut (2004). Netzwerke. Zur Theorie und Geschichte einer Konstruktion. In: Barkhoff, Jürgen, Hartmut Böhme, Jeanne Riou. Hrsg. Netzwerke. Eine Kulturtechnik der Moderne. Köln, Weimar, Wien: Böhlau. 17-37.

Bono, James (1995). Locating Narratives: Science, Metaphor, Communities, and Eptistemic Styles. In: Peter Weingart. Hrsg. Grenzüberschreitungen in der Wissenschaft. Crossing Boundaries in Science. Baden-Baden: Nomos. 119-151.

Capra, Fritjof (1996). Lebensnetz. Ein neues Verständnis der lebendigen Welt. Bern, München, Wien: Scherz

Di Giulio, Manuela; Rolf Holderegger, Marion Bernhardt, Silvia Tobias (2008). Zerschneidung der Landschaft in dicht besiedelten Gebieten. Eine Literaturstudie zu den Wirkungen auf Natur und Mensch und Lösungsansätze für die Praxis. Bern, Stuttgart, Wien: Haupt.

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Gorke, Martin (1999). Artensterben. Von der ökologischen Theorie zum Eigenwert der Natur. Stuttgart: Klett-Cotta.

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